Zunächst zur Schreibweise des Nachnamens. Diese ist in der Tat von Quelle zu Quelle unterschiedlich. Mal heißt es Groß, mal Gross (im Zusammenhang mit Amiga-Platten ist fast ausschließlich „Gross" zu lesen). Ob in Radioprogrammen oder Schallplattenkatalogen – es ist immer wieder unterschiedlich zu lesen. Ich verwende hier die Form mit „ß“, da ich nicht dauernd hin und her wechseln oder sogar alles in beiden Versionen schreiben möchte.
Leider ist dieser Sänger sehr in Vergessenheit geraten. Es sind derzeit nur sehr wenige Aufnahmen von ihm allgemein verfügbar. Es besaß eine sehr warme Baritonstimme, balladenhafte Lieder schienen ihm wohl m meisten zu liegen.
Klaus Groß wurde 1921 geboren. Er war schon früh ein sehr sportlicher Mensch, denn er wurde Gaumeister im 100-Meter-Lauf in seiner ursprünglichen Heimat, dem Saargebiet.. Später gab er auch das Schwimmen als Hobby an. Sein musikalischer Berufswunsch war eigentlich der eines Opernsängers. In der Kriegszeit wirkte er bei zahlreichen Wehrmachtsveranstaltungen mit. Nach Ende des Krieges bemühte er sich, wieder in seinem erstrebten Beruf Fuß zu fassen. Aus Berlin kommend, landete er zunächst in Magdeburg, wo er bereits Ende 1945 wieder Gesangsunterricht erhielt. Daraus resultierte 1948 ein Dreijahresvertrag bei den Städtischen Bühnen Magdeburg. Allerdings konnte er zu diesem Zeitpunkt keine Solo-Karriere realisieren. Er wurde lediglich als Chorsänger verpflichtet.
Sehr lange kann er dort aber nicht geblieben sein, denn er bewarb sich um eine Stelle beim Kammerchor des NWDR in Köln und wurde auch unter 76 Bewerbern ausgewählt. Das sorgte zwar für ein regelmäßiges, aber eben doch nicht sehr üppiges Einkommen. Seit 1950 war er solistisch tätig. Allerdings war er kein Star-Sänger, was sich eben auch auf sein Gehalt auswirkte. Groß, der inzwischen verheiratet war, wechselte daraufhin – auch aufgrund der Einflussnahme seiner Frau - in den Bereich der sogenannten leichten Muse, vor allem, weil er hier bessere Verdienstmöglichkeiten sah.
Das ging aber nicht mit einem Fingerschnippen. Es bedeutete für Klaus Groß ein völliges Umlernen, was ihm anfangs nicht gerade leicht fiel, das er ja eigentlich auf die klassische Musik fixiert war. Aber schließlich konnte er sich doch in der Unterhaltungsmusik etablieren. Allerdings ist ihm niemals so etwas wie ein richtiger Hit gelungen. Er sang zahlreiche Erfolge anderer Sänger nach. Bis 1955 soll er etwa 300 Titel aufgenommen haben. Der Großteil davon waren natürlich Aufnahmen für den Funk, der deutlich kleiner Teil waren Schallplattenaufnahmen. Klaus Groß war nicht ausschließlich in dem einen oder anderen Lager (E-Musik / U-Musik), er wurde auch gerne in dem Zwischenbereich eingesetzt, also in den beliebten Operetten-Einspielungen. So setzte ihn Franz Marszalek zumindest zweimal bei einer seiner legendären Operetten-Funkaufnahmen der frühen 50er Jahre ein. Er war – wenn auch nur in Nebenpartien – in „Karneval in Rom“ (Johann Strauß) und „Liebe im Dreiklang“ (Walter W. Goetze) zu hören. Groß machte in den frühen 50er Jahren Schallplattenaufnahmen für gleich drei Firmen (Electrola, Odeon, Polydor), was aber in der damaligen Zeit nichts außergewöhnliches war. Allerdings firmierte er teilweise unter dem Pseudonym André Roos bzw. Charles André Roos, was wohl vertragstechnische Gründe gehabt haben dürfte.
Anlässlich eines Gastspiels im während der Leipziger Messe sang Klaus Groß auch Lieder für den Sender Leipzig ein. Das führte dazu, dass er von seinem Haussender, dem NWDR, gesperrt wurde. Dies hatte sicherlich keine vertragstechnischen Gründe. Der Grund für diese Entscheidung dürfte eher in den Überspanntheiten der Zeit des Kalten Krieges zu suchen sein. Aber wie dem auch sei, dem Sänger wurde durch diese Maßnahme ein wesentlicher Teil seines Einkommens entzogen.
Das wiederum führte wohl 1956 zu seiner Übersiedelung nach Ost-Berlin. Für die dortige Amiga machte er dann regelmäßige Plattenaufnahmen und war eigentlich ganz gut im Geschäft, ohne aber wirklich ein ganz großer Star zu werden. Doch es blieb zunächst nur ein relativ kurzer Aufenthalt in der DDR, denn bereits Mitte 1958 kam er in den Westen zurück. Doch mit der (hauptberuflichen) Singerei war es zunächst einmal vorbei. Er übernahm statt dessen das Geschäft seines Vaters. Was das für ein Geschäft war und welche Gründe für diese Entscheidung maßgeblich waren, weiß ich nicht. Im „Stern“ Nr. 34/1960 wird Electrola-Produktionsleiter Nils Nobach einmal wie folgt zitiert: „Klaus Groß, der jetzt wohl Vertreter in einem Kaufhaus ist und eine ganz weiche, angenehme Schnulzenstimme hatte“. Nils Nobach war nicht unbedingt dafür bekannt, dass er es mit dem Wahrheitsgehalt seiner Worte sonderlich genau nahm. Es könnte aber ein Indiz dafür sein, dass es mit der neuen Tätigkeit nicht besonders gut lief. Jedenfalls würde das seinen erneuten Wechsel in die DDR erklären. Am 8. März 1961 ging er nämlich dorthin zurück, und im November dies Jahres gab es neue Aufnahmen für die Amiga. Von außen betrachtet änderte sich an seiner Situation nichts gegenüber den 50er Jahren. Er machte kontinuierlich neue Aufnahmen, aber ein großer persönlicher Hit war nicht darunter. Das heißt aber ganz und gar nicht, dass er schlechtes Material zu singen gehabt hätte. Auf der letzten mir bekannten Originalschallplatte, „Musical-Erfolge" aus dem Jahr 1969, sang er z. B. drei sehr schöne Lieder aus den Musicals „Oklahoma", „Kiss Me, Kate" und „Annie Get Your Gun".
Klaus Groß hatte am 21. Januar 1971 in Berlin einen schweren Verkehrsunfall, an dessen Folgen er am 18. Februar 1971 starb - also gerade mal mit nur 50 Jahren. |